Gleichberechtigung – was sagen die Fakten?

Am 14.07.2021 bezieht ProfessX Dr. Harald Lesch im ZDF – dem Sender für alle außer Männer – in dem TerraX-Beitrag „Gleichberechtigung – was sagen die Fakten?“ Position für den Feminismus. Hier zunächst eine Transkription des ganzen Beitrags:

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Wohl niemand von uns will doch in ner Gesellschaft leben, in der die Hälfte der Bevölkerung systematisch benachteiligt wird. Zumindest ist das das Argument von vielen Feministinnen und Feministen. Wie jetzt, ein alter, weißer Mann spricht über Gleichberechtigung? Hä hä hä hä hä. Und nicht zynisch. Na klar, es geht doch um die Zukunft von uns allen. Auch um die Zukunft von uns alten weißen Männern. Es geht um die Frage: wie wollen wir leben? Denn obwohl die Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Grundgesetz ja fest verankert ist, scheint es ja immer noch einen erheblichen Gesprächsbedarf zu geben, wie z.B. Debatten über die Frauenquote zeigen. Also schauen wir uns mal die Faktenlage an.
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Da gibt es z.B. den GederPayGap. Also Pay ist klar, bezahlen, Gap ist ne Lücke, GPG heißt also es gibt eine Bezahllücke zwischen den Geschlechtern. Offenbar werden Männer anders bezahlt als Frauen. Und da gibt es zwei Sorten davon. Ich fang mal mit dem Ersten an:
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Wenn man die Löhne aller Männer und Frauen in der BRD nimmt, dann bekommen Frauen 18% weniger. Das nennt man den unbereinigten GPG. Immerhin – 18% – also fast ein Fünftel weniger. Jetzt kann man natürlich sagen „Ja Moment, ihr vergleicht ja alles mögliche miteinander, aber natürlich müsst ihr die Berufe miteinander vergleichen, die Männer und Frauen in den gleichen Berufen, ist doch klar. Ja, das nennt man dann den bereinigten GPG und dann sind’s auch nur noch 6 %. Und schon lehnen sich die Einen oder die Anderen zurück und sagen, in ähnlichen Berufen da verdienen die ja fast dasselbe, 6% ist so gut wie nix (2Min01Sek) … ins Knie geschossen, kann ich da nur sagen, denn schon aus dieser Differenz von bereinigtem und unbereinigtem Gendergap ergibt sich eindeutig, dass Frauen in Deutschland von den wichtigsten Positionen … wie soll man sagen … wie würde ich es jetzt sagen .. ferngehalten werden? Frauen sind seltener in Positionen zu finden, in denen es um Geld und um Macht geht. Sie haben schlechter bezahlte Jobs, viele von ihnen sind in Teilzeitjobs unterwegs, das scheint ihnen die Karriere und die langfristig guten Verdienstmöglichkeiten zu vermasseln. Mit anderen Worten, der unbereinigte GPG sagt uns, dass Frauen von den gut bezahlten und damit in den ökonomischen und auch in den politischen Zusammenhängen wichtigen Positionen ferngehalten werden, durch irgendwas. Und das führt naturgemäß zu einem Macht-Gap, einem Gender-Macht-Gap. Die Macht in Deutschland liegt vor allen Dingen bei den Männern. Und das kann man auch an den Zahlen ganz klar festlegen. Der Erwartungswert wäre ja immer, bei einer Gesellschaft, dass also … Machen wir’s andersrum: Machen wir einen kurzen Ausflug in die Philosophie, da gab’s ja den Leibnitz… die beste aller Welten … nehmen wir mal an, wir würden in der besten aller Welten leben, was wäre denn der Erwartungswert bei der Verteilung der Machtpositionen. Der Erwartungswert wäre doch, dass Männer und Frauen ganz in der Nähe von 50% liegen. Kann ein Bisschen hin un her schwingen, aber 50% wäre so der Korridor wo’s hin soll. Und jetzt kommt’s: schau’n wir uns mal an, wie sieht’s denn aus: Achtung: die Zahlen die ich jetzt präsentiere die stammen vom Statistischen Bundesamt. Der Frauenanteil an den Mandaten im deutschen Bundestag … na ? Wie viel? Fifty fifty? Weit gefehlt. Ein Drittel der Mandate im Deutschen Bundestag geht an Frauen. Frauenanteil an Mandaten auf Kommunaler Ebene: ein knappes Drittel. Sieht auch nicht nach 50% aus. Ganz interessant übrigens: der Anteil der Regierungs-Chefinnen, Ministerinnen und Senatorinnen in der Bundesverwaltung in der Bundesregierung: 43,8 %, schon fast 50%. Wenn man dann allerdings mal ein Bisschen nach guckt, so zu sagen bei Staatsbeamtinnen und Staatsbeamten, also bei den Staatssekretären, Ministerialdirigenten und so weiter, da bricht es bei der Bundesregierung förmlich zusammen. Da wo wirklich die Arbeit und auch die Entscheidungen getroffen werden, da sind wir bei weniger als 20%, da sind es gerade noch 16,7%. Die Verwaltungsspitzen in den Stadt- und Landkreisen – das ist immerhin die Verwaltung, also da, wo es wirklich darum geht, was passiert, – 11,1%. Hmmmmm. Hochschulprofessuren 24,7% . Aber immerhin gibt’s hier einen kleinen positiven Hinweis, bei den Juniorprofessuren sind wir fast bei 50% angekommen, also 50% Frauen, fast, das sind 46,6%, also hier geht noch was. Also was können denn die Gründe dafür sein, für die Lücken in der Bezahlung, für die Lücken in der Erreichung von Machtpositionen in unserm Land? Es gibt interessante Informationen unter anderem vom DIW .
[05:20]
Um das gleich mal zu sagen die Zahlen die ich euch jetzt zeige sind auf der Basis der Verdienststruktur-Erhebung des Mikrozensus stammen also tatsächlich aus ner ganz großen Befragung in DE und was sich daraus ergibt ist folgendes: es geht zunächst mal nur um die Bruttolohnentwicklung im Laufe der Lebenszeit. Da sieht man, hier da ham wir dieses Diagramm (s.u.) und man erkennt jetzt schon mal schon, ohne großartig in die Details gehen zu wollen, es gibt offenbar eine Kurve die hier mit dem Alter von 30 Jahren relativ flach wird und es gibt eine Kurve, die immer noch ansteigt. Aber wichtig ist dass vor 30 diese Kurven relativ parallel verlaufen. Danach tut sich eine Lücke auf, im Englischen Gap, und das ist der GenderPayGap (Einblendung: der unbereinigte Gender Pay Gap). Die untere Kurve ist die Bruttolohnentwicklung für Frauen, und die andere hier oben ist die Bruttostundenlohnentwicklung für Männer. Und dann gibt es das kritische Alter 30 Jahre. Na, was passiert um die 30? Menschen leben zusammen, gründen Familien, es kommen Kinder auf die Welt, also bis 30 werden Männer und Frauen ähnlich bezahlt, ähnlich nicht gleich, aber ähnlich, und dann, was passiert denn dann? Aus Frauen werden Mütter, und schon scheint man sie ganz anders zu bewerten. Also man könnte jetzt ne Podiumsdiskussion darüber machen, was sind denn die Gründe dafür. Es gibt die ökonomischen Gründen, da sind die einen die sagen ja die Frauen, die machen jetzt Teilzeit dann kommen sie zwangsläufig in Berufe rein, in denen weniger bezahlt wird [7.00] und dann git’s die anderen die sagen ja Moment da gibts natürliche Gründe, Frauen wollen ja von sich heraus jetzt gar nicht mehr so im öffentlichen Raum und in der Arbeitswelt sein, sie wollen sich mehr um die Familie kümmern, vielleicht ist das ne ganz natürliche Entwicklung – aber man muss hier verdammt aufpassen, wenn man nämlich mit solchen natürlichen Gründen argumentiert, dann geht man in ne Richtung, das nennt man den naturalistischen Fehlschluss: das heißt, dass aus der Tatsache, dass in der Natur gewisse Dinge so sind wie sie sind würde man schließen, dass es dann auch automatisch richtig ist. Bei dem Wort Gleichberechtigung geht es um ein Recht, das ist sogar gesetzlich verbrieft, dieses Recht, und Gesetze die wir schreiben, haben mit den natürlichen Gegebenheiten erst mal gar nichts zu tun, wir können uns für das Eine oder für das Andere entscheiden. Jetzt kann man sich natürlich tatsächlich die Frage stellen: diese offensichtliche Gerechtigkeitslücke was sind denn die Gründe dafür?
[8.00]
Es ist interessant, dass ausgerechnet die Evidenz-basierten Wissenschaften da in der Tat einen Hinweis darauf geben, wie wir zum Beispiel jemanden bewerten. Es gibt eine interessante Studi, die wurde an der Columbia Business Schoool in Boston Massachusetts immer wieder durchgeführt, das ist die ‚Howard vs Heidi‘ Studie Da gehts im Prinzip um die Bewertung von Personen, deren Geschichte man erfährt. Es gaht da um eine tatsächliche Unternehmerin, die im Silicon Valley sehr erfolgreich war, also Unternehmen gegründet hat an anderen Unternehmen beteiligt war, also richtigen wirtschaftlichen Erfolg hatte und zwar richtig, nicht nur son Bisschen. Dei e eine Hälfte erfährt diese Geschichte um eine tatsächliche Unternehmerin Namens Heidi, und die andere Hälfte erfährt die gleiche Geschichte um einen Herrn namens Howard. So, und jetzt könnt ihr mal raten, wer kommt denn besser rüber? Das interessante ist, die sachliche Kompetenz von beiden, die wird völlig gleich bewertet. Nur bei der Sympathie da stürzt Heidi ab. Also Howard wird als viel sympathischer empfunden und man möchte viel eher mit Howard arbeiten als mit Heidi. Was ist da los? Die gleiche Geschichte. Und daran sieht man natürlich schon, wir sind natürlich keine Maschinen , wir sind keine neutralen Objekte, sondern wir sind Lebewesen, die sozialisiert sind, die mit gewissen Traditionen, gewissen Bräuchen im Laufe der Zeit so erzogen werden, und wir leben damit. Wir machen uns darüber erst mal gar keine Gedanken. Das heißt, ein großer Teil von dem, was wir über solche Geschichten empfinden, hat damit zu tun, wie wir sie praktisch völlig unbewusst einordnen. Und dann sind auch solche ja Bereiche wo Menschen denken, ich bin völlig vorurteilsfrei selbst die sind nicht vorurteilsfrei. Und das macht sich besonders bemerkbar bei einer anderen Studie, da ist es noch viel deutlicher, das ist die Mark und Elisabeth Studie. Im Jahr 2020 wurde in Großbritannien in der Veterinärmedizin wurden 200 Entscheidungsträger mit scheinbar echten Bewerbungsunterlagen konfrontiert, und zwar von einer Elizabeth und von einem Mark. Es war nun die Aufgabe derjenigen, die diese Unterlagen bekamen, zu entscheiden a ist die Person sachkompetent also in der Lage den Beruf auch durchzuführen, ihrer Meinung nach also gut genug und auf der anderen Seite auch ne Gehaltsvorstellung abzugeben. Und dann wurde auch noch gefragt, quasi so enpassant, ob denn diejenigen, also die Befragten der Meinung seinen, dass in ihrem Berufsbereich die Gleichberechtigung von Männern und Frauen auch schon entsprechend realisiert ist. Ne, ist klar: also die Leute wurden gefragt, ist die Person sachkompetent, wie viel würdest du ihr zahlen und wie siehts eigentlich mit der Gleichberechtigung so in deinem beruflichen Umfeld. In der Veterinärmedizin sind Frauen nun mal überrepräsentiert, und in der Tat gab es ne ganze Reihe von Befragten, die der Meinung waren, das das Thema Gleichberechtigung bei ihnen kein Thema mehr sei. Aber ausgerechnet diejenigen , die dieser Meinung waren, waren bei der Bewertung von Elizabeth deutlich kritischer als bei der Bewertung von Mark. Mark würde bei denen mehr Geld verdienen als Elizabeth, obwohl sie der Meinung sind, dass bei ihnen Gleichberechtigung schon längst völlig durchgesetzt sei. Ist das nicht interessant?
[12.00]
Also all das zeigt, dass zwischen denken und tun ein Gap ist … selbst wenn wir meinen, wir hätten diese Vorurteile, diese Stereotypen überwunden, wir können uns nicht von ihnen befreien, wir haben immer irgendwelche Vorstellungen im Kopf, und das führt dann, wie wir ja eben – ihr erinnert euch – wie wir ja vorhin, eben diese große Lücke, die da stattfindet, zu einer nachhaltigen also praktisch über das ganze Leben gehende Gerechtigkeitslücke.

Menschen entscheiden über andere und das tun sie aus einer inneren Haltung heraus, die ihnen manchmal gar nicht klar ist. Deswegen machen wir das Video, um euch ein paar Dinge zu zeigen, wie sehr man selber sich täuschen kann, also Stereotypen, die überwunden sind, oh oh Vorsicht, und du bist ohne Vorurteile oh oh, nie im Leben, also dass man sich dessen klar ist und dass man etwa tun kann, was nur wir Menschen können, nur wir können von uns selbst absehen, wir können also aus uns heraustreten und können uns betrachten als jemand, der eben Vorurteile hat. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wenn man sich schon selbst, wenn man da nicht mehr sicher sein kann, dass Stereotypen, die man meint überwunden zu haben, dass man die auch tatsächlich überwunden hat, und dass man dann eben auch rationale Entscheidungen trifft, wie kann man denn das überwinden? Na ja, eine einfache Sache wär natürlich, Bewerbungen grundsätzlich ohne jede Angabe von Geschlecht, auch kein Name, nix. Du kriegst ne Bewerbung da steht drin, die Person hat das und das gemacht und so weiter.
[13:36]
Wir haben in Deutschland für börsenorientierte Aufsichtsräte haben wir z.B. seit 2016 eine Quote. Nicht 50%, ne ne, aber 30%, und das funktioniert auch.Das heißt, es tauchen mehr Frauen in solchen wichtigen Kontrollgremien wie Aufsichtsräten auf. Sie werden auch in Vorständen häufiger auftreten, sie werden sichtbarer werden. Das heißt, jetzt können wir beobachten, wie die Quote nicht nur dazu führt, dass sachkompetente Frauen endlich da sind, wo sie hingehören sondern wie sich das Umfeld auch darauf einstellt, und mit den eigenen Rollenbildern, mit den eigenen Vorurteilen kämpft usw. usw. aber es wird ne Veränderung stattfinden. Es tauchen einfach mehr Frauen an ganz wichtigen Positionen auf. Und wenn wir das ne Weile erleben, miterleben und daran teilhaben, dann werden wir natürlich sehen, dass ne Quote ein netter Anfang ist, aber dass es am Besten natürlich wäre, wir bräuchten keine, sondern überall da, wo Männer und Frauen sich um Stellen bewerben, kann die Sachkompetenz darüber entscheiden und die Sache hat sich, fifty fifty und damit ist die Sache gelaufen. Das wäre die schönste Situation. Aber wir sehen, das ist ne harte Nummer, offenbar. Wenn es nicht schwierig wäre, dann wäre das Problem längst gelöst. Das hat damit zu tun, dass wir uns manchmal richtig im Weg stehen. Und eine Möglichkeit sich nicht im Weg zu stehen, ist zu reflektieren, von sich abzusehen und sich selber mal in so einer Situation zu betrachten, wie wärs denn eigentlich, wenn mir das so ginge. Und da wäre ne Quote tatsächlich auch ein wichtiger Hinweis. Stellt euch mal vor in einer Welt wo es das alles nicht braucht, können wir sicher sein, dass wir da wo wir hin wollen auch hin können, nicht weil wir Männer und Frauen sind, sondern weil wirs können, weil wir das, was wir wollen, auch können. Das wär doch ne super Welt und dafür sollten wir arbeiten.