Der Fall Hashtag #killallmen

Der Fall Hashtag #killallmen

In den 2013er Jahren tauchte der Hashtag #killallmen auf. Männer reagierten darauf zwischen desinteressiert und betroffen bis aufgebracht und wütend (zornig würden manche sagen). Feministen reagierten auch, aber anders, z.B. Allie Jones am 24 März 2014 in ‚The Wire‘, gefunden auf ‚The Atlantic‘

Wie könnte eine Reaktion aus dem Lager aussehen, aus dem der Hashtag kommt, wenn man nicht die Ansicht teilt, alle Männer müssten umgebracht werden? Zunächst würde man erwarten, dass genau das gesagt wird. Z.B.: ‚Niemand hat die Absicht alle Männer zu töten. Kein Feminist hat die Absicht alle Männer zu töten, auch nicht einzelne. Sollte das tatsächlich die Meinung einer Person sein, gehört sie nicht zu uns, sie ist keine Feministin.‘ – So etwas in der Art dürfte man erwarten: eine Distanzierung von der Tat und von der Person.

Das tut natürlich kein Feminist, weil keiner das meint. Vermutlich wollen nur wenige Männer ermorden, aber die Mehrheit will auf diese Weise den Bereich des Sagbaren erweitern um so andere Ziele zu erreichen. Das Ziel so eines Hashtags ist: das Sagbare erweitern, um sich mit dem Mainstream weiter ins Extreme zu begeben. In einer Gesellschaft die sich daran gewöhnt hat, dass Sätze wie ‚Alle Männer müssen umgebracht werden‘ ohne Aufregung gesagt werden, können auch andere Dinge gesagt werden, die jetzt noch nicht laut ausgesprochen werden dürfen. Z.B. so etwas wie ‚Männer dürfen nicht die gleichen Rechte haben wie Frauen‘, ‚Kinder brauchen nur Mütter, keine Väter‘ oder ‚Das Grundgesetz wurde von Männern erfunden und darum gilt es nicht für Männer‘ – und so weiter.

Dieses Verfahren benutzt sehr erfolgreich die AfD, die den Bereich des sag-baren weit ins rechte Extrem verschoben hat und dabei genau so vorgegangen ist wie die Feministen es seit langem tun. Wie würde die Welt auf den Hashtag  #JudenInsGas reagieren? Käme man mit ‚Das meinen die doch nicht ernst, das ist doch Satire!‘ durch?

Ein Mann erhob als Reaktion auf #killallmen den Vorwurf „Feministinnen haben die Frauenrechtsbewegung als Entschuldigung für den Hass auf Männer missbraucht.“ Und was sagt A. Jones darauf? Zunächst „Dies greift die Überzeugung von Männerrechts-Aktivisten auf, dass es Misandry gibt und Feministinnen tatsächlich gewalttätig gegen Männer sein wollen.“ Damit lehnt sie implizit genau diese Annahme ab, es gäbe Misandry und Feministen, die gewalttätig gegen Männer sein wollen: es handelt sich ja nur um die Überzeugung von denen da. Ohne das weiter zu thematisieren bleibt also im Raum stehen: es gibt unter Feministen gar keine Misandry und keinen Männerhass oder Tötungsabsichten.

Dann erklärt sie an Hand eines Beispiel-Tweets, dass #killallmen die Reaktion auf Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen ist – und damit wohl gerechtfertigt – denn jemand hatte eine Frau wiederholt nach ihrer Nummer gefragt. Zum Schluss gibt es dann noch die Abwertung und Beleidigung: sie zitiert eine Feministin, die fragt, wie dumm jemand sein muss, der so etwas ernst nimmt. Das ist ein ganz hinterhältiger Trick weil er es schwer möglich macht zu erwidern: „Ich bin so dumm.“

Und was heißt ‚ernst nehmen‘? Wörtlich nehmen, oder für in irgendeiner Weise wirkungsvoll, also gefährlich halten? Es gibt also zwei wichtige Fragen: Zum Einen, wie man mit Feministen umgehen sollte, die es ernst meinen mit dem Männerermorden. Diese Frage vermeidet sie. Und die wichtigere zweite Frage, was daran sonst schlimm sein könnte, auch wenn es nicht wörtlich gemeint ist, erkennt sie nicht.

Um zu verstehen, dass so etwas mehr bedeutet als dass man einfach ‚vergiss es einfach‘ sagen könnte, stelle man sich nur mal kurz vor, wie die Reaktionen auf einen Hashtag #KillAllJews wohl aussähen, oder auf Witze die sich um Juden in Gaskammern drehen. Auch wenn man damit vielleicht keinen Mordaufruf verbindet, hat es doch eine grauenvolle Bedeutung. Eine Erklärung a la ‚Der Jude hat zum wiederholten Mal Zinsen von mir verlangt‘ wäre da wohl keine ausreichende Erklärung um das zu dürfen. Und wer weiß es denn genau, vielleicht ist es ja doch ernst gemeint und nur ein Versuchsballon. Mal sehen, bis wo man die Grenzen das sag-baren verschieben kann, die Menschen daran gewöhnen, und dann weiter machen.

Als sie dann so tut, als würde sie sagen, MRAs könnten den Witz nie verstehen, sagt sie tatsächlich, so ganz en passant als wäre das eine nicht weiter zu begründende Tatsache, dass Männer systemisch(*) Ungerechtigkeiten gegen Frauen begingen. Ein Beispiel dafür haben wir ja oben gesehen: sie fragen Frauen wiederholt nach ihrer Nummer.

MännerRechtsAktivistens werden niemals den Witz verstehen, weil sie glauben, dass Frauen weit verbreitet systemische Ungerechtigkeiten gegen Männer begehen, genauso wie Männer gegen Frauen.

Auf diese Weise wird zunächst implizit geleugnet, dass Frauen Ungerechtigkeiten gegen Männer begingen, Männer glauben das nur, und dann wieder ein mal die Lüge verbreitet, Männer hingegen begingen systemisch Ungerechtigkeiten gegen Frauen. So werden Lügen im Bewusstsein implantiert und mit der Zeit verfestigt.

In dem ganzen Artikel findet sich kein einziger Ansatz für eine ernst gemeinte Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Beleidigung durch Hashtags‘ oder etwas ähnlichem. Wer sich angegriffen fühlt wird statt dessen diffamiert, Beleidigungen lässt sie in Form von Zitaten durch andere ausführen.

Der ganze Artikel bringt keine neuen Tatsachen ins Spiel oder logische Schlüsse – er ist reine Propaganda. Wie leider fast alles, was ich bisher aus diesem Lager gelesen habe.

(*) Ich bin mir nicht sicher, ob A. J. “systemic‘ im Sinne von ’systematisch‘ oder im Sinne von ’strukturell systembedingt‘ meint. Das ist zwar nicht das Gleiche, hat aber in dieser Betrachtung allerdings keine Bedeutung.

(Alle Übersetzungen basiert auf Google Übersetzer)

Hier ist der Artikel zu finden:
https://www.theatlantic.com/culture/archive/2014/03/a-twitter-hashtag-probably-doesnt-prove-feminists-want-to-kill-all-men/359493/

https://www.theatlantic.com/culture/archive/2014/03/a-twitter-hashtag-probably-doesnt-prove-feminists-want-to-kill-all-men/359493/

Und hier sind ein paar Auszüge daraus:

Culture
A Twitter Hashtag Probably Doesn’t Prove Feminists Want to Kill All Men

Allie Jones
March 24, 2014

The Twitter hashtag #killallmen, which started trending last May, has finally reached conspiracy theorist Alex Jones. His site, InfoWars, ran a story Monday about how „feminists have misappropriated the women’s rights movement into an excuse for hating men.“ This taps into men’s rights activists‘ beliefs that misandry exists and feminists actually wish to be violent towards men.

Here’s an example of the typical #killallmen tweet — it’s not particularly clever, but it points out an injustice.

    @ArchedEyebrowBR Ew ew ew. My housemate changed supermarkets because the security man wouldn’t stop asking for her number. #killallmen
    — harrietreuterhapgööd (@hapgoodness) March 24, 2014

So do Twitter feminists actually want to kill all men? Unlikely. @OaklandElle, an early adopter of the hashtag, tweeted earlier this month,

    I can’t fathom how difficult life must be for anyone stupid enough to take #killallmen seriously. How do you even manage to put on socks?
    — Armageddon (@OaklandElle) March 9, 2014

Not all feminists employ the hashtag, and some say it only serves to feed the MRA trolls. They’re right. MRAs will never get the joke, because they think women commit widespread, systemic injustices against men in the same way that men do against women. A bloodthirsty feminist murdering a guy for asking her for her phone number sounds about right to these guys.

#Killallmen can’t be a joke, because if men joked that way, it wouldn’t be funny, MRAs reason. Not fair. As Paul Joseph Watson at InfoWars writes, „Imagine the outrage if a group of male bigots had descended on the social network to promote the trend #killallwomen – accounts would be deleted and feminists would be up in arms at such a brazen display of misogyny. However, when the shoe is on the other foot, violent man-hating rhetoric is apparently perfectly acceptable.“


Ist ‚Gender‘ eine Ideologie?

Ein feministisches Autorenteam versucht den Vorwurf zu entkräften, bei der Genderforschung handele es sich um eine Ideologie.

‚Genderwissenschaften‘ waren für mich immer Ideologie und keine Wissenschaft. Dabei bin ich durchaus der Ansicht, dass es im Bereich der gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse wichtige Dinge zu erforschen gibt; nur kann ich keine Hinweise darauf finden, dass die Genderwissenschaften schon damit begonnen hätten. Ich bin aber grundsätzlich aufgeschlossen für einen Gegenbeweis. Tatsächlich würde ich sogar begrüßen, wenn verschiedene Fragen, die eindeutig in den Bereich der Genderwissenschafte fallen, endlich angegangen würden, aber bisher bin ich da noch nicht fündig geworden. Und jetzt bin ich auf einen Artikel zum Thema mit dem Titel  ‚Gender, Wissenschaftlichkeit und Ideologie‘ gestoßen, der sich kritisch mit ‚Gender Gegnern‘ auseinandersetzt, mit Leuten die ‚Gender‘ für eine Ideologie halten und solche Leuten wie mich vom Gegenteil überzeugen wollen. Voller Erwartungen und mit ein wenig Hoffnung habe ich mir also die 88 Seiten vorgenommen.

Die Replik wurde von einem Autorenteam verfasst und hat also den Titel ‚Gender, Wissenschaftlichkeit und Ideologie‘ (1). Das Autorenteam hat sich wirklich bemüht, die Genderwissenschaften gegen den Vorwurf ideologisch verbrämt zu sein zu verteidigen, sie haben ein 88 seitiges Paper dazu verfasst und über hundert Quellen angegeben. Aber sie haben am Ziel vorbei geschossen.

Kurz zusammengefasst: Die Autoren pflegen einen explizit wissenschaftlichen Darstellungsstil. Das macht den Eindruck, als sollten ihre Gegner vor der Form kapitulieren, weil sie – die Gegner – dem formal oft nichts entsprechendes entgegenzusetzen haben. Der Stil ist eloquent, Fremdworte werden gerne verwendet und teils gleich übersetzt, die Angaben von Zitaten und Quellen sind perfekt. Das alles ist heute Teil von Wissenschaftlichkeit – aber wissenschaftliche Form produziert nicht automatisch Wahrheiten. Und sie ist auch nicht im mindesten erforderlich, um Wahrheiten zu erkennen und mitzuteilen.

Inhaltlich kommt eigentlich gar nichts, jedenfalls nicht zum Thema: statt sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was die ’normalen Menschen‘ meinen, wenn sie zum Ideologie-Vorwurf greifen und diese Vorwürfe zu entkräften, führen sie eine kurze wissenschaftlich Untersuchung des Bergriffs durch, verzichten dabei auf eine gängige Quelle wie Wikipedia, die zwar nicht wissenschaftlichen Ansprüchen genügen mag, aber eben die Antwort liefert, die hier gesucht wird, nämlich das allgemeine Verständnis des Bergriffs, auf den ja hier reagiert werden soll. Statt herauszuarbeiten, wogegen sich die Kritik an den  Genderwissenschaften überhaupt richtet, stellen die Autoren fest, dass ihre Kritiker den Begriff Ideologie wohl nicht richtig anwenden. Auf Seite 7 werfen sie ihren Kritikern vor
    Ihre Prämissen und Annahmen bleiben unreflektiert.
Und 10 Seiten später haben ihre Kritiker nur eine Stoßrichtung:
     Der Vorwurf, die Gender Studies seien unwissenschaftlich.
Bis Seite 17 also nur viel Lärm um nichts.

Auf Seite 41 ist man immer noch nicht viel weiter, jetzt heißt es:
    Hinter dem Ideologie-Vorwurf gegen die Gender Studies steht meist kein spezifiziertes, sondern eher ein umgangssprachliches Verständnis des Begriffs
und
    … Zentral ist jedoch, dass der Ideologievorwurf die  vom Ideologiebegriff aufgeworfene Frage im Hauruck-Verfahren zu lösen vorgibt: Ideologisch, das seien die anderen – die eigene Position hingegen sei unideologisch.

Bis hier hat man sich nur mit seinen Kritikern beschäftigt, nicht mit deren Kritik; mehr noch nicht. Wirklich erschreckend aber finde ich, dass es dabei bleiben wird, dass sich die Autoren im gesamten Text nicht ein einziges Mal inhaltlich mit den Vorwürfen befassen, sondern ausschließlich mit einigen wenigen ausgewählten Personen, die sich kritisch geäußert haben. Sie weisen ihren Kritikern wiederholt unwissenschaftliches Arbeiten nach und stellen mehrfach fest, dass ihre Kritiker Ansprüche an wissenschaftliche Arbeiten stellen, die selbst nicht erfüllen und schließen auf ihre Kritiker bezogen:
    Ihre Prämissen und Annahmen bleiben unreflektiert.
Da rufen also tausende ‚Der Kaiser hat ja gar keine Kleider an‘ und statt einfach mal nachzusehen, ob der Kaiser bekleidet ist oder nicht, besteht die Antwort des Hofstaates darin, den Rufern die Legitimation zu Rufen abzusprechen, da sie nicht die für Eingaben erforderlichen Formblätter verwendet haben! Das ist ein hinterlistiges, plumpes Ablenkungsmanöver! Die Kritiker sollen wohl einsehen, dass sie solchen Gegnern nicht gewachsen sind und sich zurückziehen.

Was hätten die Verteidiger des Genderlagers statt dessen tun können? Nun, der Vorwurf der Ideologie oder Unwissenschaftlichkeit meint ganz offensichtlich, dass die Genderforschung nicht auf anerkannten Grundsätzen basiert sondern auf unbewiesenen Überzeugungen, dass die falschen Grundlagen nicht hinterfragt werden weil sie als sakrosankt betrachtet werden, dass Schlüsse nicht logisch sind und dass deshalb Ergebnisse produziert werden, die letztlich auch falsch sind.

Solche All-Aussagen könnten durch Gegenbeispiele sofort widerlegt werden. Man könnte also ein paar gute Beispiele liefern die beweisen, dass die Genderwissenschaften mit nachvollziehbaren Schlüssen sinnvolle Ergebnisse geliefert haben, deren Grundlagen Hand und Fuß haben. Das wäre ein erster Schritt, der den platten Vorwurf der generellen Unwissenschaftlichkeit schon widerlegte. Dann könnte man allgemeiner und wissenschaftlich einige wesentliche Grundlagen der Genderwissenschaft vorstellen, nachweisen, dass sie auf soliden Füßen stehen und andeuten, in welche Forschungsgebiete sie einfließen und das mit weiterführenden Quellenangaben belegen. So würden vernünftige Menschen vorgehen, die nichts zu verbergen haben, und andere vernünftige Menschen dazu bewegen, über ihre Positionen nachzudenken und diese evtl. zu revidieren.

Stattdessen behaupten die Autoren, dass die Genderwissenschaftler selbst unglaublich viel reflektieren und deswegen sehr wissenschaftlich sein müssen ….

Ich habe anlässlich dieses pseudowissenschaftlichen Artikels zunächst noch ein mal meine eigene Position bestimmt und darüber nachgedacht, was ich eigentlich meine, wenn ich von Ideologie spreche – der Gebrauch unterschiedlicher Definitionen bestimmter Begriffe kann nämlich zu völlig sinnlosen Streitereien führen und sollte immer als erste Quelle von Missverständnissen ausgeschlossen werden. Darum habe ich zunächst geklärt, wie ich den Begriff in der Vergangenheit benutzt habe: Für mich war ‚Ideologie‘ immer gleichbedeutend mit: „Darüber brauche ich nicht nachzudenken, da gibt mir meine Weltanschauung (Ideologie) die richtigen Grundlagen und Antworten, die so gesichert sind, dass es da nichts mehr gibt, das man in Frage stellen könnte: sie sind unumstößlich richtig.“

Vergleiche ich das einfach mal mit Wikipedia wo es heißt:
    Seit Marx und Engels bezieht sich der Ideologiebegriff auf „Ideen und Weltbilder, die sich nicht an Evidenz und guten Argumenten orientieren …
stelle ich fest, dass das meinem Gebrauch des Begriffs ‚Ideologie‘ dem recht ähnlich ist – eigentlich ist alles ganz einfach, nur nicht geeignet, intellektuelle Überlegenheit vorzutäuschen: keine Bandwurmsätze, keine Fremdworte, keine Zitate, keine 88 Seiten.

Was mir von dem 88 Seiten Paper geblieben ist, ist Kopfschütteln: Ich hatte gehofft, einmal einen Hauch von Sinn in diesen Genderstudies aufgezeigt zu bekommen, aber den scheint es tatsächlich nicht zu geben, denn sonst hätten die Autoren sicherlich nicht widerstehen können, ihn mir hämisch grinsend unter die Nase zu reiben.

Ich bin also nach wie vor auf der Suche nach den nützlichen Ergebnissen der Genderwissenschaften die, wenn auch vielleicht nicht mir persönlich, so doch der ganzen Gesellschaft, irgendwie zugute kommen könnten. Von diesem 88 seitigen Paper bin ich jedenfalls total enttäuscht.

Quelle:
Regina Frey, Marc Gärtner, Manfred Köhnen und Sebastian Scheele,
Gender, Wissenschaftlichkeit und Ideologie
Herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung 2013/2014
Gunda Werner Institut
Band 9