Das faschistische Mycel – II

Woraus besteht das ‚faschistische Mycel‘?

So ein faschistisches Mycel besteht aus Millionen Menschen – Menschen, die im Extremfall bereit sind, in anderen Menschen Sachen zu sehen, Material, das einen Geldwert hat, etwas das benutzt, verbraucht und zum Schluss entsorgt werden kann – wie z.B. Sklaven. Wer so ein Menschenbild hat, braucht nur die richtige Gelegenheit zur freien Entfaltung, um großes Unheil anzurichten. Ein charismatischer Führer kann der Auslöser sein, der das faschistische Mycel zum Austreiben erweckt; jemand, der dem Einzelnen seine Verantwortung und seine Schuld nimmt, jemand der ihm sagt, dass er einer guten Sache dient und dass er ja nur Befehle zu befolgen hat.

Aber auch eine entfesselte Menge, ein Mob, der seine Mitglieder mitträgt, der ihnen sagt, was sie tun müssen – nämlich einfach nur den Anderen folgen und mit machen – kann das Mycel erwecken. Ein Mob, der dadurch die persönliche Verantwortung nimmt, dass er jeden Einzelnen zu einem Rädchen im Getriebe einer große Sache macht. Auch so ein Mob kann dem Einzelnen die Möglichkeit eröffnen, sich zu befreien, sich auszuleben, zu sagen und zu tun was in ihm oder ihr furchtbares schlummert. Und wenn der Mut auch noch nicht ausreicht um jemandem in der realen Welt ein Messer in den Rücken zu stoßen, dann schaff man es doch zunächst mal anonym im Netz – und auch das kann tödlich sein. Auch ein Mob hat meist einen Auslöser und wird oft gesteuert, aber es muss nicht immer gleich ein Hitler sein; auch das kleinste Licht kann den Stein werfen, der eine zerstörerische Lawine auslöst.

So ein Mob hebt das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung aus den Angeln, schafft sich seine eigenen Regeln, wendet sie auf andere Menschen an, urteilt ohne Verhandlung aus der Emotion heraus und vollzieht selbst die ‚Bestrafung‘, alles in einer Hand – das ist gefährlich. Aber die ganze Gefahr, die in so einer Masse schlummert, entsteht durch ihre Erregbarkeit: Ist die Masse ruhig und beschäftigt sich mit ‚anderen‘ Dingen, kann sie durch kleine Steine des Anstoßes nicht zur ‚Explosion‘ gebracht werden. Ist sie dagegen sehr aktiv und aufgeheizt, kann sie sich im extremen Fall sogar durch ‚Rauschen‘ selbst erregen, d.h. es kann auch ohne Anlass zu einem Ausbruch kommen. Ausbrüche folgen dabei einem Lawineneffekt: anfängliche Aktivitäten lösen weitere aus, die wiederum weitere Aktivitäten auslösen und so weiter.

Wird so eine Lawine ausgelöst, verstärkt sie sich selbst und setzt große Mengen an Energie frei. Individuen, die sich schon nahe an ihrer Erregungsgrenze befinden, werden durch andere Gruppenmitglieder angestoßen und so über die Schwelle gebracht werden, ab der sie nun selbst aktiv werden und nun selbst mehrere Andere aktivieren; Verstand und Besonnenheit sind dabei nur störend. Die Gefahr die von so einem Haufen ausgeht, hängt damit unter anderem vom herrschenden Erregungslevel ab. Das alles ist im Prinzip unabhängig davon, worum es geht und es funktioniert bei Rechten genau so wie bei Linken. Und es setzt nicht notwendig eine böse Absicht voraus. Um Teil so einer Lawine zu werden braucht es in erster Linie Dummheit.

Das faschistische Mycel bildet solche gefährliche, aktive ‚Haufen‘ und ist weltweit verbreitet. Tatsächlich ist sehr natürlich, denn es stammt aus einer evolutionär alten Zeit. Heutzutage bietet es den Boden für große Katastrophen, denn seine Zellen haben keine Hemmung zu manipulieren, zu diffamieren, Existenzen zu vernichten oder auch zu töten, und befinden sich – Dank neuer Medien – in permanenter Erregung bei einer geringen Erregbarkeits-Schwelle! Ein großes Problem im Umgang mit dieser natürlichen, faschistischen Basis liegt darin, dass es demokratisch betrachtet ganz neutral als verbreitete menschliche Eigenschaft behandelt werden müsste. Um das zu vermeiden, haben die Väter des Grundgesetzes hier einen undemokratischen Riegel vorgeschoben: nicht alles darf demokratisch beschlossen werden, es gibt Grenzen, die auch demokratisch nicht überschritten werden dürfen. Das war sehr klug und nutzt der gesamten Gesellschaft.

Kluge Gesellschaften versuchen also mittels Kultur, den archaischen, faschistischen Kern des Menschen zu dämpfen, aber das gelingt nur ungenügend, denn das Mycel ist riesig und produziert permanent Gift. Zu den verschiedenen Giften des faschistischen Mycels gehört es allgemein, Hass zu schüren und Menschen ihre Würde zu nehmen. Eine seiner Ausprägungen ist z.B. ‚Schwarze Schafe‘ zu benennen, die als Schuldige für irgendwelche Missstände und als Sündenböcke herhalten müssen. Das waren mal ‚Neger‘, die von der amerikanischen Justiz auch heute noch häufig eher als ‚vermutlich schuldig‘ behandelt werden, dann waren es ‚Die Juden‘, die als ‚Schmarotzer‘ bezeichnet wurden und an vielen Übeln der Welt Schuld sein sollten. Heute sind es für manche einfach ‚Die Fremden‘ die Deutschland zerstören wollen, vielfach auch ‚faule Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger‘, denen unterstellt wird, sie wollen gar nicht arbeiten und es sich lieber in der sozialen Hängematte bequem machen. Und für manche sind es ‚Die Männer‘, diffamiert als toxisch und fragil, aber als Vertreter des ‚Patriarchats‘ stark und siegreich. Immer sind die Vorwürfe diffamierend, dumm und unhaltbar und schmecken nach Verschwörungstheorie, aber im Mycel haben sie auch immer ihre Wirkung gezeigt.

Wer bei so was mitmacht, wer in der Lage ist, irgendwelchen Menschen ohne Mitgefühl ihre Würde zu nehmen, der kann jedem seine Würde nehmen und jeden zu einer Sache machen, die Aufgaben zu erfüllen hat ohne einen menschlichen Wert zu besitzen. Das hat z.B. Hitler praktiziert, als er seine Armeen in sinnlose Schlachten schickte, die keinen militärischen Nutzen mehr bringen konnten, sondern nur viele Tote – auch Deutsche, Arier, also Hitlers eigene Leute. Man findet dieses Muster auch bei neoliberalen Wirtschaftsfaschisten, die fordern, dass man am freien Markt auch scheitern und untergehen können müsse; und natürlich auch bei Feministen, die sich gegenseitig entwürdigen, sich Rassismus und Faschismus vorwerfen: statt um eine Diskussion in der Sache geht es solchen Leuten primär darum, Macht zu leben und Personen zu vernichten, und jeder, der anderer Meinung ist oder auch nur dazu aufruft, mal über etwas nachzudenken, wird zum Feind erklärt und zum Abschuss freigegeben. Dann wütet das faschistische Mycel sogar gegen sich selbst.

Damit werden auf allen Ebenen Menschenopfer zu dem Preis, den andere für den eigenen Vorteil zu zahlen haben und sogar der Tod eines Menschen verliert seine Individualität und wird zu einem Wert in einer Statistik.

Ob der Befehl ‚Es zu tun‘ nun von einem großen Führer oder nur von der dummen Masse kommt, das macht gar keinen Unterschied, denn das sind nur die verschiedenfarbigen Hütchen, die der giftige Pilz entwickelt, das Gift aber ist letztlich das selbe: Menschen wird ihr ‚Mensch-sein‘ abgesprochen und sie werden damit zu Freiwild gemacht, das zur Strecke gebracht werden darf.

Aber nicht erst durch den Tod wird ein Mensch seiner Würde beraubt, das ist nur die ultimative Form: Das Mycel benutzt nicht nur die Extreme Tod und vollständige Vernichtung des Feindes, sondern stigmatisiert auch und diffamiert seine Gegner, bewirkt Arbeitsverbote, Auftrittsverbote und öffentliche zur Schaustellung und schändet den Ruf von Menschen, die sich nicht unterwerfen wollen – und das verleiht dem faschistischen Mycel eine enorme Macht! Mittlerweile werden sogar schon einflussreiche Medien unterwandert, ohne jegliche demokratische Legitimation! Das alles ist leider nicht so weit her geholt wie man meinen könnte, denn so etwas schleicht sich schon in unseren Alltag ein.

Auch wenn Menschen ein bestimmter Lebensentwurf verboten und ein anderer vorgeschrieben wird, wenn jemandem vorgeschrieben wird was er zu denken und zu wollen hat, was er sagen darf und was nicht, und wenn eine Hetzjagd auf ihn veranstaltet wird, wenn er gegen diese undemokratisch vom Mob gesetzten Regeln verstößt, ist das ein Aufblühen des faschistischen Mycels.

So konnte eine Frau Rösinger die allgemeine Unwertigkeit des Mannes im ZDF (Aspekte) ungehindert und weithin unbeachtet im Detail ausführen (http://bit.ly/2kirOQb und http://bit.ly/2jEbJF4) und ihn zwischen Affe und Mensch ansiedeln. Und Valerie Solanas konnte – bis heute von Feministen gefeiert – in ihrem SCUM-Manifest Gaskammern für Männer empfehlen. Verbreitet ist allerdings nicht das Ziel die Männer vollkommen auszurotten; meist wird empfohlen für Zuchtzwecke einen männlichen Rest von 10 % der Bevölkerung anzustreben. Das haben Feministinnen, die heute gefeiert werden und gegen die sich kein #Aufschrei regte, in den letzten Jahrzehnten verfilmt, geschrieben und auf Bühnen gebracht.

Faschismus beginnt also nicht erst, wenn Glatzen mit Springerstiefeln marschieren; bzw. korrekter: das faschistische Mycel beginnt nicht erst zu sprießen, wenn Springerstiefel marschieren. Diese Glatzen sind nur die braunen Kappen des Pilzes, der unter der Oberfläche als Mycel lebt und, wenn die äußeren Umstände es begünstigen, zu sprießen beginnt. Das Mycel bringt eben je nach Situation auch ganz andere Ausstülpungen als braune Kappen hervor, z.B. solche in Armani-Anzügen mit teuren Krawatten, aber auch Frauen- und Männer-Hasser, die im Internet ihre Gewaltphantasien ausleben und viele andere mehr; denn sein wahres Wesen ist einfach nur ein Menschenbild: Die Idee von Menschen unterschiedlichen Wertes, von Herrenmenschen und Untermenschen; wer ‚Herr‘ und wer ‚Unter‘ ist, das sucht sich der ‚Faschist‘ dann nach Lage der Dinge selbst aus. Diese Vorstellung von Herren- und Untermenschen hatte nicht nur Hitler angetrieben, sie ist jederzeit und überall weit verbreitetet.

Also seien wir wachsam und achten auf die vielen kleinen Anzeichen des sprießenden Mycels, denn wer bei anderen nach Mikroaggressionen und verstecktem Sexismus sucht neigt offensichtlich dazu, den Mikro-Faschismus bei sich selbst zu übersehen.

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