Nicht dein Ernst! Oder doch?

Nicht dein Ernst! – Eine Frage des Geschlechts im WDR am 29.11.2020

Die Darstellung des Geschlechterverhältnisses im Fernsehen ist im Moment besonders interessant; Sendungen wie die im WDR lassen erstaunliches sichtbar werden. Da ich Frau Kroymann als sympathisch und klug einschätze, habe ich sie angeschrieben und gefragt, ob sie wirklich meint, was sie da gesagt hat. Und da am Gespräch maßgeblich beteiligt, habe ich Frau Sabine Heinrich und Herrn Jürgen von der Lippe auf CC gesetzt.

Mein Resümee in Kürze:

Worauf gründet dieses Selbstverständnis, einen Anspruch auf Sonderbehandlung ‚Der Frau‘ geltend machen zu dürfen? Was ich hier sehe ist nicht das Bild einer modernen, toleranten, demokratischen Gesellschaft, sondern Intoleranz, Sexismus und Demokratiefeindlichkeit. Wollen Sie das wirklich oder habe ich Sie da missverstanden?

Und hier meine Mail an Frau Kroymann:

Sehr geehrte Frau Kroymann, bitte schenken Sie mir eine Minute,

bitte lesen Sie diese Mail.

In einer Diskussion mit Herrn von der Lippe (‚Nicht dein Ernst! – Eine Frage des Geschlechts‘, WDR 29.11.2020/01.12.2020) sagten Sie, Sie wollen keine Komplimente ihren Körper betreffend hören. Herr v.d.Lippe missverstand diese Äußerung und antwortete – wohl in der Annahme, es ginge ihnen um die Sorge, über ihren Körper auf ein Sexualobjekt reduziert zu werden – er können ihren Intellekt ja zunächst gar nicht beurteilen. Dem widersprachen Sie und meinten, es ginge nicht, dass der Körper einer Frau gelobt werde. Komplimente bezüglich ihrer Kleidung würden Sie hören wollen, aber bezüglich ihres Körpers nicht.

Wenn ich das so richtig verstanden habe: warum? Selbstverständlich hat jeder das Recht zu wünschen, was er oder sie will. Aber im Rahmen dieser Sendung geht es doch nicht um Befindlichkeiten Einzelner, sondern um das Verhältnis der Geschlechter; da bedeutet Ihr ‚unangenehm finden‘ doch eine Aufforderung an ‚Die Männer‘ so etwas ‚Den Frauen‘ gegenüber zu unterlassen – insbesondere, wenn man die Kommentare von Frau Heinrich und die Publikumsreaktionen berücksichtigt.

Diese Position kann ich auch nach längerem Nachdenken nicht verstehen, tut mir leid. Können Sie mir das erklären? Warum wollen Sie keine Komplimente ihren Körper betreffend hören, wohl aber ihr Outfit betreffend? Und wenn Sie solche Wünsche haben, wieso meinen Sie, dass die von ihren Mitmenschen respektiert werden müssten?

Wenn Ihre Zeit es zulässt, würde ich mich über eine Antwort sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen,
Reinhard Heisterhagen
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Transkription eines Gesprächs in ‚Nicht dein Ernst! – Eine Frage des Geschlechts‘, WDR, 29.11.2020/01.12.2020

Kurz vor Ende der Sendung ging es um die Frage, ob ein Mann das Outfit einer Frau loben darf. Diesen Teil des Gesprächs habe ich hier übertragen:

Frage von Frau Sabine Heinrich: Ist es OK, wenn ein Mann einer Frau ungefragt ein Kompliment zu ihrem Outfit macht?

Jürgen von der Lippe: Heutzutage überlegt man sich ob man sagt „Ich muss dir sagen, das sieht einfach toll aus“ weil es als Anmache gewertet werden könnte und Ärger machen könnte. In Amerika steigt ein Mann ja nicht mehr in den Aufzug, in dem er mit einer Frau alleine ist.
Maren Kroymann: Ja … ja … ja.
JvdL: Ich sage das vorwurfsvoll aber ohne Bitterkeit.
MK: Also ich finde Outfit kann man doch akzeptieren, ein Kompliment. Wenn es so was unterschwelliges hat ‚Oh, hast ja ne super Figur, tolle Beine‘ oder … so was geht in eine Richtung die ich unangenehm finde – wenn sozusagen der Körper … die Körperhaftigkeit der Frau in diesem Outfit mehr gelobt wird …
JvdL: Also Maren, wie soll ich denn den Intellekt loben, wenn der sich im Moment nicht aufdrängt?
MK: Intellekt war jetzt gerade nicht das Thema.
JvdL:.Doch, Du hast gesagt ‚die Körperhaftigkeit der Frau‘ ich sehe aber nur die Körperhaftigkeit. Ich müsste also sagen „Wenn du so schlau bist, wie du toll aussiehst …“ … dann hab ich ernsthaft ein Problem.
MK: Das ist auch ein schöner Satz. Da hat sich jemand extrem Mühe gegeben. Das ist schon mal ein Pluspunkt.
JvdL: Das war ich.
MK: Ja ich weiß.
JvdL: Das nähmst du nicht übel?
Sabine Heinrich: Ich würd’s übel nehmen. Wenn du das so sagen würdest da hätte ich das Gefühl, der will mir gleich seine Telefonnummer geben.
MK: Leuchtet dir nicht die Trennung … also es ist doch ein Unterschied, ob ich das Outfit oder den Körper der Frau lobe. Das kann man doch klar machen, sprachlich.
JvdL: Die Frage ist doch, ob ich mittlerweile nicht mehr sagen, nicht mehr formulieren darf, dass ein Mensch mir äußerlich gut gefällt.
SH: Ich spüre ja die Verunsicherung die du hast, wenn man kein Kompliment mehr machen darf. Ich traue Männern durchaus zu, eine Situation abschätzen zu können.
JvdL: Ich empfinde ein Kompliment in aller Regel als schön, wenn man mir ein Kompliment macht. Und es ist schade, wenn man sich überlegt, ob man ein Kompliment macht. Da geht vielen etwas verloren.
MK: Verstehe. Aber was spricht denn dagegen, dass man einen Kontakt sucht zu der Person, der man das Kompliment macht, und abschätzt wie sich die Person mit dem Kompliment fühlt. Dagegen spricht doch eigentlich nichts. Das ist ja im Gegenteil eine sehr angenehme Zuwendung, die diese Person dann erfährt, weil du dir Gedanken machst über sie. Das ist eigentlich auch sehr respektvoll und sehr schön. Also nicht nur dein Kompliment ist schön.
JvdL: Wie soll ich das machen
MK: Hingucken, nicht nur senden, auch empfangen
SH: Ohh Maren, super, das ist … das find‘ ich gut.
Viel Applaus und Ende dieses Themas.

Kritik
Langsam gelesen finde ich dieses Gespräch geradezu erschreckend: Was für ein Menschen- und Geschlechterbild steht hinter solchen Aussagen? Mit solchen Sonderregeln für Männer, die die Frau zur Königin machen, der der Mann sich nur noch gaaanz langsam und vorsichtig zu nähern hat. Wobei er Signale auszusenden und Ihre Reaktion zu empfangen und zu interpretieren hat, um ihren Unwillen nicht zu erregen – weil er sich sonst wessen schuldig macht? Würden Sie auch einer Frau den Rat geben, den ‚Kontakt zu suchen zu einem Mann den sie zurückweist und abzuschätzen wie sich die Person mit der Zurückweisung fühlt‘?

Worauf gründet dieses Selbstverständnis, einen Anspruch auf Sonderbehandlung ‚Der Frau‘ geltend machen zu dürfen? Was ich hier sehe ist nicht das Bild einer modernen, toleranten, demokratischen Gesellschaft, sondern Intoleranz, Sexismus und Demokratiefeindlichkeit. Wollen Sie das wirklich oder habe ich Sie da missverstanden?

Noch ein mal mit freundlichen Grüßen,
Reinhard Heisterhagen

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